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Blueshunde
Beschreibung
Blues ... mit deutschen Texten ... das geht ja man gar nicht. Da sind sich die selbsternannten Bluesologen und die Germanisten einig. Die Sprache der Dichter und Denker ist für die Zwölftakter aus dem afro-amerikanischen Kulturraum so wenig geeignet wie sonstwas. Zu hölzern, verkopft, was auch immer. Die wenigen Experimente in diese Richtung geben dem recht. ‚Das Dritte Ohr‘ – super Bluesband, solange es nur um die Musik ging – ‚Emscher Delta Blues Band‘ und wie sie alle hiessen. Eines Sonntags in den frühen 80er Jahren schleppte mich mein guter Freund Andreas Hansen, damals Zivildienstleistender, an seinen Arbeitsplatz im psychosozialen Trägerverein ab. Da sei ein junger Mann, der habe den Blues. Ich war zugegeben überrascht; nicht wegen seiner eher rudimentären Fähigkeiten als Gitarrist, sondern wegen seiner Texte. Die waren echt, real, glaubwürdig – und passten in das stramme Schema des Blues. Rolf ‚der Wolf‘ Lenzen hatte den Blues, ganz nach seinem offensichtlichen Vorbild Howlin‘ Wolf; sich selbst sah er so: ‚Ich bin ein heulender Wolf, und ich heul‘ vor Deiner Tür‘ ... Da war schon alles drin. Rolf verbrachte die Hälfte seines Erwachsenendaseins in irgendwelchen Einrichtungen, betreuten Wohngemeinschaften und so weiter; die andere Hälfte im Landeskrankenhaus, psychische Abteilung, ‚Gummifabrik‘, wie er das zu nennen pflegte. Manisch-depressive Schübe, Paranoia, gleichzeitig eine Krebserkrankung, und alles was daraus folgte – mangelnde soziale Einbindung, Schwierigkeiten mit Frauen, das alles war die Grundlage für seinen Blues. Hier konnte er sich ausdrücken, hier war er frei. Wir arrangierten einen Auftritt in der Teestube Sauerbreystraße (heute eine Kreuzung aus Handyladen und Sportcafé) – damals eine Speerspitze der jungen Ökobewegung: Teesorten, Räucherstäbchen, Batikschals, Selbstgehäkeltes, auf jeden Fall kein Alkohol! Mit der selbstmitgerachten Kiste Bier ging die Provokation schon los. Rolf stand es gut durch und eines war klar: eine Band musste her. Die fand sich dann auch schnell. Und Auftritte gab es auch. Rolf der Wolf und die Blueshunde waren schnell in der Region Hilden/Solingen eine feste Nummer. Die Konzerte waren voller Energie (solange man Rolf vom Trinken abhalten konnte) und gingen nicht immer ohne Scherben ab. Besonders in Erinnerung bleiben das Nümmener Heimatfest und das Sommerfest im Landeskrankenhaus, das ironischerweise zu einem Hausverbot für die Band und auch für Rolf führte ... Die Auftritte wurden schwieriger, Rolf immer unzuverlässiger, sein Umgang mit Alkohol und Pillen immer unkontrollierbarer. Irgendwann ging es nicht mehr. Die Luft war ‚raus. Die Band zerfiel. Noch ein paar armselige Auftritte ohne Rolf, dann war‘s vorbei. Die Blueshunde waren Geschichte. Irgendwann rund um die Jahrtausendwende erreichte uns die Nachricht: Rolf (inzwischen Dauergast) war im LKH zu Tode gekommen; die genauen Umstände wusste niemand. Wenn es nicht um ein paar alte Kassetten in einem Schuhkarton gewesen wäre, Rolf der Wolf und seine Songs wären verschwunden. Aber so nahmen sich ein paar jüngere Blueshunde und ein alter der Sache noch mal an, und siehe da: Rolfs Lieder sind zeitlos – und: Blues mit deutschen Texten geht doch. Fritz Kappner, im März 2016