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HAUSVERBOT IM LKH

15,00 

Blueshunde

Artikelnummer: VALVE # 6287 Kategorie: Schlagwort:

Beschreibung

Blues ... mit deutschen Texten ... das geht ja man gar nicht. Da sind 
sich die selbsternannten Bluesologen und die Germanisten einig. Die 
Sprache der Dichter und Denker ist fĂŒr die Zwölftakter aus dem 
afro-amerikanischen Kulturraum so wenig geeignet wie sonstwas. Zu 
hölzern, verkopft, was auch immer. Die wenigen Experimente in diese 
Richtung geben dem recht. ‚Das Dritte Ohr‘ – super Bluesband, solange es 
nur um die Musik ging –
‚Emscher Delta Blues Band‘ und wie sie alle hiessen.

Eines Sonntags in den frĂŒhen 80er Jahren schleppte mich mein guter 
Freund Andreas Hansen, damals Zivildienstleistender, an seinen 
Arbeitsplatz im psychosozialen TrÀgerverein ab. Da sei ein junger Mann, 
der habe den Blues. Ich war zugegeben ĂŒberrascht; nicht wegen seiner 
eher rudimentÀren FÀhigkeiten als Gitarrist, sondern wegen seiner Texte. 
Die waren echt, real, glaubwĂŒrdig – und passten in das stramme Schema 
des Blues.

Rolf ‚der Wolf‘ Lenzen hatte den Blues, ganz nach seinem 
offensichtlichen Vorbild Howlin‘ Wolf; sich selbst sah er so: ‚Ich bin 
ein heulender Wolf, und ich heul‘ vor Deiner TĂŒr‘ ... Da war schon alles 
drin.

Rolf verbrachte die HĂ€lfte seines Erwachsenendaseins in irgendwelchen 
Einrichtungen, betreuten Wohngemeinschaften und so weiter; die andere 
HĂ€lfte im Landeskrankenhaus, psychische Abteilung, ‚Gummifabrik‘, wie er 
das zu nennen pflegte. Manisch-depressive SchĂŒbe, Paranoia, gleichzeitig 
eine Krebserkrankung, und alles was daraus folgte – mangelnde soziale 
Einbindung, Schwierigkeiten mit Frauen, das alles war die Grundlage fĂŒr 
seinen Blues. Hier konnte er sich ausdrĂŒcken, hier war er frei.

Wir arrangierten einen Auftritt in der Teestube Sauerbreystraße (heute 
eine Kreuzung aus Handyladen und SportcafĂ©) – damals eine Speerspitze der
jungen Ökobewegung: Teesorten, RĂ€ucherstĂ€bchen, Batikschals, 
SelbstgehÀkeltes, auf jeden Fall kein Alkohol! Mit der 
selbstmitgerachten Kiste Bier ging die Provokation schon los. Rolf stand 
es gut durch und eines war klar: eine Band musste her.

Die fand sich dann auch schnell. Und Auftritte gab es auch. Rolf der 
Wolf und die Blueshunde waren schnell in der Region Hilden/Solingen eine 
feste Nummer. Die Konzerte waren voller Energie (solange man Rolf vom 
Trinken abhalten konnte) und gingen nicht immer ohne Scherben ab. 
Besonders in Erinnerung bleiben das NĂŒmmener Heimatfest und das 
Sommerfest im Landeskrankenhaus, das ironischerweise zu einem Hausverbot 
fĂŒr die Band und auch fĂŒr Rolf fĂŒhrte ...

Die Auftritte wurden schwieriger, Rolf immer unzuverlÀssiger, sein 
Umgang mit Alkohol und Pillen immer unkontrollierbarer. Irgendwann ging 
es nicht mehr. Die Luft war ‚raus. Die Band zerfiel. Noch ein paar 
armselige Auftritte ohne Rolf, dann war‘s vorbei. Die Blueshunde waren 
Geschichte.

Irgendwann rund um die Jahrtausendwende erreichte uns die Nachricht: 
Rolf (inzwischen Dauergast) war im LKH zu Tode gekommen; die genauen 
UmstÀnde wusste niemand. Wenn es nicht um ein paar alte Kassetten in 
einem Schuhkarton gewesen wÀre, Rolf der Wolf und seine Songs wÀren 
verschwunden.

Aber so nahmen sich ein paar jĂŒngere Blueshunde und ein alter der Sache 
noch mal an, und siehe da: Rolfs Lieder sind zeitlos – und: Blues mit 
deutschen Texten geht doch.

Fritz Kappner, im MĂ€rz 2016